Flo setzt sich auf einen Strohballen und erzählt Udo, was sie in den letzten Tagen gemacht hat. Sie erzählt auch von ihrer Mama, die immer die CD weiterschaltet, wenn „Stille Nacht“ kommt.
„Das kann ich gut verstehen“, sagt Udo. „Für mich ist dieses Lied auch etwas Besonderes und ich mag es nicht überall hören.“
„Das Lied gibt es schon sehr lange, oder?“, fragt Flo.
„Unsere Lehrerin hat uns erzählt, dass es auf der ganzen Welt bekannt ist.“
„Ja, das stimmt“, bestätigt Udo. „Es wurde vor fast 200 Jahren geschrieben und am Heiligen Abend in einer kleinen Kirche in Salzburg zum ersten Mal gesungen.“
„Und warum ist es auch heute noch so besonders?“, will Flo wissen.
Udo unterbricht seine Arbeit und setzt sich zu Flo auf den Strohballen.
„Ich glaube, weil es gerade in der heutigen Zeit eine tiefe Sehnsucht der Menschen anspricht. Eine Sehnsucht nach Ruhe, Stille und Geborgenheit.“
Die beiden sitzen eine Weile schweigend nebeneinander.
Flo denkt über Udos Worte nach.
„Glaubst du, es ist heute schwieriger, diese Stille zu finden, als vor 2.000 Jahren, als Jesus geboren wurde?“, fragt sie leise.
„Hm, ich denke nicht, dass es heute schwieriger ist, die Stille zu finden, aber ich glaube, dass viele Menschen vergessen haben, danach zu suchen“, erwidert Udo.
Flo sieht Udo nachdenklich an und streichelt Fridolin über sein Fell.
„Vor ein paar Wochen war ich in einer sehr einsamen Gegend unterwegs“, beginnt Udo zu erzählen. „Dort habe ich eine Familie getroffen, die aus einer großen Stadt stammt und nun für einige Zeit in dieser einsamen Gegend lebt. Die Frau hat mir erzählt, dass sie hier gelernt hat, die Drinnengeräusche von den Draußengeräuschen zu unterscheiden.“
„Drinnen- und Draußengeräusche?“, wiederholt Flo fragend.
„Ja, es gibt viele Geräusche um uns herum, die wir ständig hören. Manchmal sind es so viele, dass wir die Drinnengeräusche, die direkt aus unserem Herzen kommen, nicht mehr wahrnehmen. Alles verschwimmt dann zu einem großen Geräuschdurcheinander.“
„Und wie kommt man aus diesem Durcheinander wieder raus?“, will Flo wissen.
„Durch Stille“, erwidert Udo. „Ich glaube, für deine Mama ist das Lied ,Stille Nacht‘ ein Drinnengeräusch, obwohl es von außen kommt. Deshalb will sie es nur dann hören, wenn die Stille wirklich da ist und sie genügend Platz hat, um sich auszubreiten – draußen und drinnen.“